HOPPE AKTUELL

Nachlese zu den Donaueschinger Musiktagen 2023

31.10.2023 / Aus dem VAN-MAGAZIN: Keine Hoffnung für die Ameise

Nicht in jedem Jahr kann das Rad neu erfunden werden. Auch das Entrümpeln der Geschichte hilft der zeitgenössischen Musik nicht weiter. Lydia Rilling, die erste Frau an der Spitze der Donaueschinger Musiktage, hat sich viel vorgenommen. von Eleonore Büning 

"(...) Das zweite ist, subjektiv gesprochen, zugleich das zweitbeste, überhaupt. Halb handelt es sich um ein Melodram, halb um eine Zeitoper. Nur eben konzertant, ohne Kostüme. Iris ter Schiphorst hat es für zwei Stimmen komponiert, für das Ascolta Ensemble und Elektronik. Felicitas Hoppe schrieb ihr, im ständigen Zwiegespräch, den Text dazu. Verhandelt wird, wer von beiden zuerst da war, was wichtiger ist: Henne oder Ei? Sprache oder Musik? Dichter oder Komponist? Prima la musica, poi le parole? Selbstverständlich hat die Story autobiographische Züge. Es wimmelt nur so von Zitaten und Selbstzitaten. Um die Spuren zurück zu Richard Strauss oder Antonio Salieri zu verwischen, haben die beiden ihr Werk nicht Capriccio genannt, sondern: Was wird hier eigentlich gespielt? – Doppelbiographie des 21sten Jahrhunderts.

Hoppe spricht ihren Part selbst, mit Ironie, aber auch tieferer Bedeutung. Sie singt sogar ab und zu. Ter Schiphorst lässt sich beim Sprechen und Singen vertreten von der unübertrefflichen Salome Kammer, die außerdem kreischen und flüstern kann, tanzen und marschieren. Bei diesem Dreamteam ist klar, dass nicht eine Sekunde Langeweile aufkommt. Die Sache beginnt mit Grimms Märchen vom eigensinnigen Kinde und reicht über Sarabandennostalgie und Garagenbandsound sowie verfremdete Kinderspiele wider die Geschichtsvergessenheit (»Dreh Dich nicht um!«) bis zu Beethovens Freudenode, bei der alle entsetzlicherweise mitsingen, immer lauter, bis aus Beethoven ein nicht endenwollender Bombenhagel wird, für den eigens Ohrstöpsel hätten ausgegeben werden müssen. Generalpause. Leere. Der Krieg ist angekommen in der Donauhalle. Da die Akteure und Autoren auch nicht so recht wissen, wie sie damit umgehen sollen, hören sie damit nicht auf. Sie fügen eine Coda an. Und wären sie nicht so klug, in dem, was sie tun, würde auch das nicht funktionieren. Tut es aber. (...)"


Aus der FAZ: Neue Musik: Frau, warum weinst du? Von Max Nyffeler

"(...) Die vielfältigen und zweifellos auch fruchtbaren Formen der Interaktion sind für die Ausführenden zweifellos von Bedeutung, für das Publikum zählt hingegen nur die klingende Erscheinung. Und da lagen wie immer in Donaueschingen Spannung und Langeweile dicht nebeneinander. Als besonders anregend erwies sich einmal mehr die Verbindung von Wort und Musik. Während sich die Iranerin Elnaz Seyedi von der Lyrikerin Anja Kampmann zu traumähnlich zerfließenden Klangbildern inspirieren ließ, verarbeitete Iris ter Schiphorst den in Zusammenarbeit mit Felicitas Hoppe entstandenen Text zu einem klingenden Essay voller Widerhaken. Künstlerische Selbstreflexion und Kritik am männlich dominierten Musikbetrieb mischen sich darin mit grundsätzlichen ästhetischen Fragen: Was kann das Wort, was kann die Musik uns mitteilen? Was ist stärker, Singen oder Reden? Als „das doppelt eigensinnige Kind, das auf die Pauke der Gegenwart haut“, zieht die Komponistin alle Register, lässt mit dem Ensemble Ascolta ihre polystilistischen Fantasien von der Leine und Salome Kammer als verrückte Performerin in Protestschreie ausbrechen. Ein wirrer Knäuel von Problemen und Einfällen, unterhaltsam, gedankenscharf und zuweilen auch etwas überladen. Als Notausgang aus dem Irrgarten der Paradoxien bietet sich die Selbstironie an. (...)"

 


Felicitas Hoppe zu Gast bei SWR2 Treffpunkt Klassik extra

21.10.2023 / "Ihr musikalisches Talent ist so bemerkenswert wie vollkommen unentwickelt", urteilt Felicitas Hoppe in ihrer spekulativen Autobiographie über das gleichnamige Mädchen, das Musik liebt, aber schließlich Schriftstellerin wird. Für die Donaueschinger Musiktage 2023 begibt sie sich mit der Komponistin Iris ter Schiphorst in einem gemeinsamen Projekt auf eine Reise in jeweils fremdes Gelände. In der Sendung spricht die Büchner-Preisträgerin über das Unterwegssein, über Freiheit und das Hören.

Zum Nachhören der Sendung vom: Sa., 21.10.2023 10:30 Uhr, SWR2 Treffpunkt Klassik extra, SWR2

 


Musiktage statt Buchmesse: Felicitas Hoppe und die Komponistin Iris ter Schiphorst als Tandem bei den Donaueschinger Musiktagen am 21.10.2023

11.10.2023 / Ein offener Raum des langsamen Gesprächs mit den Mitteln von Musik und Sprache, ohne Vorgabe des Ausgangs oder des Ergebnisses: Die Schriftstellerin Felicitas Hoppe und die Komponistin Iris ter Schiphorst sowie die Schriftstellerin Anja Kampmann und die Komponistin Elnaz Seyedi haben sich, jeweils im Tandem, auf diesen Dialog eingelassen und ihren eigenen Prozess der künstlerischen Zusammenarbeit entwickelt. Während Kampmann und Seyedi das Fragment in den Mittelpunkt stellen und im Grenzbereich von Sprache und Musik ein neues Verstehen suchen, schaffen Hoppe und ter Schiphorst eine Doppelbiographie des 21. Jahrhunderts und bespielen kompositorisch, poetisch und performativ ihre eigene Bühne der Erkenntnis. (siehe Termine und beim Ensemble Ascolta)

 


Der Sommer geht allmählich zuende, und Felicitas Hoppe packt um: Ab September ist sie Stormschreiberin in Husum

25.08.2023 / Die Schriftstellerin Felicitas Hoppe, geb. 1960, erhält das Storm-Schreiber-Stipendium. Sie ist nach Christiane Neudecker und Marion Poschmann dritter Inhaber des 2019 zum ersten Mal vergebenen Stipendiums. Im September 2023 wird Hoppe auf dem denkmalgeschützten Dreiseithof von Dr. Annemarie Hansen in Husum-Rödemis einziehen.

Felicitas Hoppe gehört zu den renommiertesten deutschsprachigen Autoren der Gegenwart. 2012 wurde sie von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet. »In einer Zeit, in der das Reden in eigener Sache die Literatur immer mehr dominiert, umkreist Felicitas Hoppes sensible und bei allem Sinn für Komik melancholische Erzählkunst das Geheimnis der Identität«, begründete die Jury die Entscheidung.

Seit 1996 veröffentlicht Hoppe, die als Schriftstellerin in Berlin und Leuk lebt, Erzählungen, Romane, Kinderbücher und Feuilletons; sie ist auch als Übersetzerin tätig. 2012 erschien der Roman Hoppe, zuletzt der Roman Die Nibelungen. Ein deutscher Stummfilm sowie Fährmann, hol über! Oder wie man auf das Johannesevangelium pfeift und Gedankenspiele über die Sehnsucht.

Hoppe ist reisend und vortragend rund um die Welt unterwegs. Sie ist Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. 2016 erhielt sie ein Ehrendoktorat der Leuphana Universität Lüneburg. Sie hatte 2019 die Brüder-Grimm-Poetikprofessur der Universität Kassel inne, 2020 erhielt sie den Großen Preis des Deutschen Literaturfonds und 2021 den Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor.

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Stube und Kosmos: Schriftstellerin Felicitas Hoppe über das Reisen

09.08.2023 / Felicitas Hoppe beschreibt für SPIEGEL-STIL, warum wir unterwegs sein müssen, auch wenn jede Reise gemessen an unseren Träumen eine leise Enttäuschung ist. - Link zum PDF